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Strom- und Gaspreise: EuGH stellt Europarechtswidrigkeit der Preisregelung für Tarifkunden fest

Durch mehrere verbraucherfreundliche Urteile schränkte bereits der Bundesgerichtshof (BGH) in den vergangen Jahren den Spielraum, den Energieversorgungsunternehmen im Rahmen von Preisanpassungen haben, erheblich ein. Nunmehr stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass die deutschen Regelungen zu Preisanpassungen gegenüber Kunden in der Grundversorgung für Strom und Gas (sog. Tarifkunden) gegen das Recht der Europäischen Union verstoßen (Az. C-400/11 und C-359/11).

Preiserhöhungen aufgrund StromGVV und GasGVV unwirksam

Im Bereich der Grundversorgung von Haushaltskunden sehen die gesetzlichen Regelungen in § 5 Abs. 2 StromGVV und § 5 Abs. 2 GasGVV ein einseitiges Preisanpassungsrecht der Versorger vor, im Rahmen dessen sie Erhöhungen ihrer eigenen Kosten an den Verbraucher weiterreichen durften. Hinsichtlich der Gestaltung dieses Preisanpassungsrechts waren die Versorger allerdings auch bisher nicht völlig frei. Vielmehr hatten die Preisanpassungen nach sogenanntem billigem Ermessen zu erfolgen. Unbillig ist eine Preiserhöhung beispielsweise dann, wenn sie sich auf eine Bezugskostensteigerung stützt, dieser Anstieg jedoch durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (BGH Urteil vom 19.11.2008, Az. VIII ZR 138/07). Nunmehr stellte der EuGH fest, dass Preiserhöhungen auf die Regelungen der Grundversorgungsverordnungen auch dann nicht gestützt werden können, wenn sie der Billigkeit entsprechen. Nach Auffassung des EuGH verstoßen die §§ 5 Abs. 2 StromGVV, 5 Abs. 2 GasGVV gegen übergeordnetes europäisches Recht, weil in den Regelungen Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung nicht wiedergegeben sind. Der EuGH stellte zudem ausdrücklich fest, dass seine Entscheidung sich auch auf Preiserhöhungen in der Vergangenheit bezieht. Für die meisten Tarifkunden dürften sich hieraus Erstattungsansprüche hinsichtlich in der Vergangenheit erfolgter Preiserhöhungen ergeben.

Erstattungsansprüche auch für sogenannte Sonderkunden

Rückzahlungsansprüche kommen allerdings nicht lediglich für Tarifkunden in Betracht. Bereits im Jahr 2013 entschied der BGH in einem Verfahren gegen die RWE Vertrieb AG, dass die Bezugnahme des Gasversorgers auf die früher in der Grundversorgung geltende gesetzliche Preisregelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zur wirksamen Begründung eines Preisanpassungsrechts nicht ausreichend ist (Az. VIII ZR 162/09). Durch das Urteil wurden die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in einer vorangegangenen Entscheidung umgesetzt (EuGH Urteil vom 21.03.2013, Az. C-92/11). Der BGH bestätigte damit ein Urteil des OLG Hamm (Az. 19 U 52/08), das bereits im Jahr 2009 auf Rückzahlung von Gasvergütungen aufgrund unwirksamer Preisanpassungsklauseln erkannt hatte.

Schon im Jahr 2009 entschieden die Bundesrichter, dass Preisanpassungsklauseln unwirksam sind, die den Versorger bei einer Steigerung seiner eigenen Bezugskosten zur Erhöhung des Gaspreises berechtigen, ihn aber im Falle sinkender Bezugskosten nicht zu einer Verringerung des Preises verpflichten (Az. VIII ZR 225/07). Dasselbe gilt für Klauseln, die den Gaspreis ausschließlich an die Entwicklung des Preises für extra leichtes Heizöl (HEL) koppeln, ohne dabei sinkende Kosten des Versorgers in sonstigen Bereichen zu berücksichtigen (BGH Urteil vom 24.03.2010, Az. VIII ZR 178/08). Unwirksam sind auch solche Preisanpassungsklauseln, die die Änderung der Preise lediglich pauschal von der Änderung der allgemeinen Tarifpreise abhängig machen, ohne dass festgelegt wird, wie der neue Gaspreis bei Eintritt der Änderung genau bestimmt werden soll (BGH Urteil vom 17.12.2008, VIII ZR 274/06).

Vorbehaltlose Zahlung schließt Erstattungsansprüche nicht aus

Nach der Rechtsprechung des BGH schließt die vorbehaltlose Begleichung von Jahresabrechnung Erstattungsansprüche wegen der Unwirksamkeit von Preisanpassungsklauseln nicht aus (Urteil vom 14.07.2010, Az. VIII ZR 246/08). Was dies für die betroffenen Kunden bedeutet, macht beispielsweise ein Urteil des Landgerichts Köln deutlich: Es verurteilte die AggerEnergie GmbH aufgrund der Verwendung einer unwirksamen Preisanpassungsklausel zu einer Rückerstattung von 7.217 € (Urteil vom 07.10.2010, Az. 8 O 302/09). Um Anspruchsverluste zu vermeiden, sollte jedoch umgehend Widerspruch gegen die in Rede stehenden Preiserhöhungen eingelegt werden.

Verjährungsfrist ist zu beachten

Kunden sollten beachten, dass Erstattungsansprüche aufgrund rechtsgrundlos geleisteter Zahlungen an Energieversorger einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen. Die Verjährung wird allerdings dadurch gehemmt, dass die Ansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Betroffene Kunden sollten daher fristwahrend Klage erheben.


Mehr zum Thema:

» Geld zurück für Erdgaskunden, General-Anzeiger Bonn

» Billigkeit und Angemessenheit von Preiserhöhungen bei Haushaltskunden, et 8/2010

» Urteil des AG Euskirchen vom 10.06.2011

» Urteil des LG Köln vom 29.01.2014

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